Page 45 - EMF von Stromtechnologien
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 EMF von Stromtechnologien
und Software. Das vielleicht wichtigste Anwendungsgebiet ist der Bereich „compliance“, also das Tes-
ten von Produkten hinsichtlich ihrer Einhaltung der Basisgrenzwerte. Simulationen werden aber auch zur Überprüfung der Grenzwerte selber verwendet wie in (Findlay, 2017) beschrieben. Dabei wird bei maximal zulässiger Exposition (externe Feldstärke, Grenzwert der magnetischen Flussdichte) die Do- sis in interessierenden Geweben oder Körperbereichen berechnet und mit den Basisgrenzwerten (elektrische Feldstärke im Gewebe, SAR) verglichen. Bei allfälligen Überschreitungen muss über eine Anpassung der Grenzwerte nachgedacht werden. Eine aktuelle Übersicht über den Stand der Wissen- schaft auf diesem Gebiet (Bereich Niederfrequenz) gibt eine neue Ausgabe der Zeitschrift Physics in Medicine & Biology (2016, 61, 12) mit über einem Dutzend Artikeln zu den Themen: Elektrostimulati- onsmodelle, anatomische Modelle, Dosimetrie, Grenzwerte und medizinische Anwendungen (Reilly & Hirata, 2016). Speziell erwähnenswert hier ist die Bedeutung der Haut-Modellierung. Werden realitäts- nähere Zwei-Schicht Modelle (statt einem Modell mit einer homogenen Hautschicht) verwendet, so sinken die induzierten elektrischen Feldstärken (Dosismass) etwa um einen Faktor 5–10 (Schmid & Hirtl, 2016).
In einem neuen Reviewartikel geben Hirata et al. (Hirata et al., 2021) eine Übersicht über bestehende Methoden und offene Forschungsfragen bezüglich der Modellierung von Expositionsszenarien vom Niedrig- bis zum Hochfrequenzbereich. Den grössten Forschungsbedarf sehen die Autoren bei den neuen Mobilfunktechnologien, speziell bei Anwendungen oberhalb von 6 GHz für 5G- und 6G- Tech- nologien. Im Niedrigfrequenzbereich bleibt die genaue Bestimmung der Gewebeparameter ein Thema. Neuere Resultate zu Messungen in diesem Frequenzbereich deuten auf eine höhere Leitfä- higkeit der Haut und von Hirngewebe hin. Neue Methoden zur Bestimmung der Gewebeparameter ba- sierend auf Magnetresonanztechnologie könnten helfen, die Unsicherheiten in diesem Bereich zu re- duzieren (z.B. (Wake et al., 2016)).
3.1.3.3 Fazit zu NF-EMF
Im Zentrum des Interesses stehen Immissionen und persönliche Expositionen. Die Messtechnik für NF-EMF Immissionen ist etabliert. Dies gilt ebenso für die Modellierung von Immissionen durch Infra- strukturanlagen. Die grösste Unsicherheit bei der Immissions-Modellierung besteht bei den Inputda- ten, z.B. den historischen Lastdaten von Hochspannungsleitungen. Solche Zahlen sind für die Schweiz nicht verfügbar, so dass ein gewisser Klärungsbedarf besteht im Zusammenhang mit der Ex- position der Bevölkerung gegenüber dem 50–380 kV Verteilnetz. Unklar ist auch wie sich die Verkabe- lung vom Verteilnetz auf die Bevölkerungsexposition auswirkt.
3.1.4 Vorbemerkung zu den nachfolgenden Abschnitten
Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich an der Zusammenstellung von (Bowman, 2014), er- gänzt durch weitere relevante Literatur. Es handelt sich nicht um einen systematischen Überblick über die Expositionsliteratur, sondern um eine einführende Darstellung im Hinblick auf die in den nachfol- genden Kapiteln diskutierten Studien.
Fast ausnahmslos alle Arbeiten zu Expositionen beziehen sich auf 50/60 Hz. Eine Ausnahme ist bei- spielsweise (Aerts et al., 2017). Oberschwingungen, auch als „dirty electricity“ und potenziell gesund- heitsgefährdendes Agens bezeichnet – dazu: (Graham, 2000), (Milham & Stetzer, 2013) – werden kaum explizit berücksichtigt. Ein Review (de Vocht & Olsen, 2016) legt nahe, dass entsprechende Hin- weise wissenschaftlich nicht begründet sind. (Fiocchi et al., 2015) haben in ihrer dosimetrischen Stu- die die Bedeutung der harmonischen Komponenten hinsichtlich ihres Beitrags zur gewebeinternen Feldbelastung berechnet. Nicht zuletzt wegen der strengen Standards zur Netzqualität des Stroms (der Gesamtgehalt der Harmonischen – THD – wird auf tiefem Niveau normiert), sind die Beiträge der Oberschwingungen bzw. der „dirty electricity“ an der Gesamtdosis klein. Sie belaufen sich im «worst- case» auf etwa 10%.
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