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elektrischen Felds im Gewebe weisen daher eine geringere Unsicherheit und weniger numerische Artefakte auf als jene der Stromdichte.
Viele experimentelle Untersuchungen zur elektrischen Stimulation von Nerven- und Muskelzellen, nämlich bei der Analyse von Elektrounfällen und bei der medizinischen Anwendung der Reizstromtherapie, sind allerdings unter dem Gesichtspunkt der eingebrachten Stromdichte diskutiert worden. Da die Stromdichte im Prinzip in eine elektrische Feldstärke sowie eine Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten umgerechnet werden kann, können auf diese Weise ebenfalls wichtige Erkenntnisse zur Reizwirkung abgeleitet werden.
Letztlich ist die Reizung einer Zelle mit einer Potentialdifferenz (Spannung) zwischen Innen- und Außenseite einer Membran verbunden. Daher sind Reizwirkungen unmittelbar an die Präsenz des elektrischen Feldes gebunden und ergeben sich aus einer Polarisation der entsprechenden Zellmembranen. Zwischen der Innen- und Außenseite einer Zellmembran liegt ein sogenanntes Ruhemembranpotential (etwa minus 80 mV) vor. Die Zelle gibt eine Anregung weiter, wenn dieses Potential positiver wird (z. B. minus 50 mV). Diese Änderung des Potentials wird auch als Depolarisation bezeichnet. Das erneute Einstellen des Ruhemembranpotentials wird Repolarisation genannt. Kommt es dabei kurzfristig zu einem Potential das kleiner ist als das Ruhemembranpotential (z. B. minus 100 mV), so spricht man von der Hyperpolarisation.
Für Reizwirkungen sind die Existenz einer Schwelle und die Frequenzabhängigkeit charakteristisch:
1. Es existiert für jedes Gewebe eine Reizschwelle, die überschritten werden muss, um eine Erregung auszulösen. Eine Mindestspannung muss dafür also zwischen den verschiedenen Seiten einer Zellmembran anliegen. Die Erregung selbst lässt sich jedoch nicht durch größere Reizstärken oberhalb der Reizschwelle steigern.
2. Der Schwellenwert ist frequenzabhängig (siehe Abbildung 4.4). Eine gereizte Nervenzelle braucht immer eine gewisse Zeit, bis sie auf Reize genauso reagiert wie zuvor. Diese Zeit wird als Refraktärzeit bezeichnet. Folge davon ist, dass elektrische Reize mit kürzer werdendem zeitlichem Abstand auf eine erregbare Membran immer ineffektiver wirken. Reizfolgen höherer Frequenz benötigen steigende Stromdichten und können schließlich überhaupt keine Erregung mehr auslösen.
Abbildung 4.4: Prinzipielle Abhängigkeit der reizwirksamen Stromdichte von der Frequenz.
Als Bezugswert dient der Basiswert 2 mA/m2. Kurve A: Ausgleichsvorgänge in der Membran, die das Lapicquesche Gesetz beschreibt. Kurve B: Für die Festlegung zulässiger Werte verwendeter vereinfachter Geradenzug.
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