Page 83 - EMF von Stromtechnologien
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 EMF von Stromtechnologien
mit hohen berechneten Feldern um eine Gruppe handelt, die besonders stark exponiert ist. Eine sol-
che Erklärung ist plausibel mit dem hohen beobachteten Effektschätzer. 4.3.1.5 Befunde aus experimentellen Tier- und Zellstudien
Obwohl die Entstehung von kindlicher Leukämie möglicherweise in einem kausalen Zusammenhang mit NF-EMF steht, gibt es nach wie vor wenige experimentelle Studien, die dem gezielt nachgegangen sind. Dies auch weil sich bis heute kein wissenschaftlich fundiertes Konzept über die Wirkungsweise von EMF durchgesetzt hat (Juutilainen et al., 2018; Karimi et al., 2020; Maes & Verschaeve, 2016a). Drei dieser kürzlich veröffentlichten Publikationen sind aus dem von der Europäischen Kommission unterstützten Forschungsprogramm ARIMMORA (siehe Kapitel 4.2.7) hervorgegangen (Campos- Sanchez et al., 2019; Kapri-Pardes et al., 2017; Manser et al., 2017). In der Studie von Campos-San- chez wurde ein neues Maus-Modell für die häufigste Form der Kinderleukämie (B-ALL: akute lymphati- sche Leukämie der B-Zellen) entwickelt, die sich durch eine übermässige Vermehrung von nicht-aus- reifender Leukozyten manifestiert (Campos-Sanchez et al., 2019). Dazu wurde genetisch eine Vor- stufe der Leukämie (ETV6-RUNX1-Fusion) geschaffen, was die Frequenz der Erkrankung an B-ALL erhöht. In einem Pilotexperiment mit einer kleiner Anzahl Tiere wurden die heranwachsenden Mäuse bis zum Alter von drei Monaten mit einem intermittierenden (10/5 Min an/aus) 50 Hz NF-MF bei 1.5 mT Feldstärke für 20 Std/Tag exponiert und danach lebenslang auf die Entwicklung einer Leukämie untersucht. Dabei trat ein Fall von B-ALL in den exponierten Tieren auf (n=34) während keiner in den Kontrolltieren (n=27) beobachtet wurde. Im Weiteren wurden in exponierten Tieren ein Trend zu mehr B-Zellen und weniger T-Zellen festgestellt, was auf eine Beeinträchtigung des Immunsystems hindeu- ten könnte. Allerdings handelte es sich bei den Kontrollen um sogenannte Käfigkontrollen und nicht scheinexponierte Mäuse und die limitierte Gruppengrösse lässt noch keine statistisch fundierte Schlussfolgerung bezüglich des Einflusses auf die Leukämieentstehung zu.
Das Ramazzini-Institut in Bologna, Italien, hat lebenslange «Bioassays» zur Krebsentstehung in Rat- ten durchgeführt (siehe auch Kapitel 4.3.2), die schon vor der Geburt einem 50 Hz NF-MF (5, 20, 100, 1000 μT) ausgesetzt waren und dabei auch das Auftreten von Leukämien analysiert. Diese Resultate wurden in mehreren Publikationen veröffentlicht (Bua et al., 2018; Soffritti & Giuliani, 2019; Soffritti, Tibaldi, Padovani, Hoel, Giuliani, Bua, Lauriola, Falcioni, Manservigi, Manservisi, & Belpoggi, 2016; Soffritti, Tibaldi, Padovani, Hoel, Giuliani, Bua, Lauriola, Falcioni, Manservigi, Manservisi, Panzacchi, et al., 2016). Es wurde beobachtet, dass die alleinige NF-MF-Exposition keine Zunahme von Leukä- mien auslöste. In Kombination mit bekannten Leukämie-fördernden akuten Behandlungen wie Formal- dehyd oder Gammastrahlung wurde hingegen von einer signifikanten Zunahme von Leukämien in männlichen Ratten berichtet, was auf eine Beschleunigung des kanzerogenen Prozesses durch NF- MF hindeuten könnte.
In einigen Studien zu kultivierten Zellen wurden zudem Mechanismen nachgegangen, die zur Entste- hung von Leukämien beitragen könnten. Kapri-Pardes untersuchten den Einfluss von 50 Hz NF-MF (0.15, 0.5, 1, 10 μT) auf die Aktivierung von Signalwegen der Zellen, die eine zentrale Rolle bei Regu- lierung der Zellproliferation spielt und typischerweise in entarteten Krebszellen überaktiv sind (Kapri- Pardes et al., 2017). Die Autoren fanden, dass der Signalweg der mitogen-aktivierten Protein-Kinase (MAPK), aber nicht andere (p38, JNK oder AKT), unmittelbar nach Expositionsbeginn aktiviert wurde, was selbst bei tiefen Feldstärken von 0.15 μT nachweisbar war. Diese Aktivierung wurde in verschie- dene Zelllinien gefunden, wobei nichttransformierte Zellen im Allgemeinen mehr auf die Exposition an- sprachen als Krebszellen. Auch wurde eine gewisse Dosis-Wirkungs-Abhängigkeit gefunden und pos- tuliert, dass die ROS-produzierende NADH-Oxidase eine übergeordnete Rolle als EMF-Sensor spielt. Allerdings war die Aktivierung der MAPK durch das NF-MF nicht sehr ausgeprägt und verhielt sich be- züglich intrazellulärer Verteilung anders als die Positivkontrolle, sodass sie physiologisch und patholo- gisch als nicht relevant eingestuft wurde. Die Autoren schlussfolgerten diesbezüglich:
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