Page 75 - EMF von Stromtechnologien
P. 75
EMF von Stromtechnologien
der Konzentration von freien Radikalen beobachtet. Diese Befunde könnten auf einen möglichen Wirk-
mechanismus hinweisen und sollten gezielt weiter untersucht werden.
Sodann weisen die Review-Berichte darauf hin, dass die Frage, ob NF-EMF-Exposition das Risiko für Alzheimer und ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) erhöht oder nicht, gegenwärtig keine endgültige Antwort kennt. Falls es ein Risiko gibt, ist es bei Alltagsexpositionen mit einiger Sicherheit klein und wenn, im beruflichen Kontext relevanter. Für fast alle anderen untersuchten gesundheitlichen End- punkte finden sich laut den zitierten Experteneinschätzungen in der wissenschaftlichen Literatur we- nige Belege für eine Beeinträchtigung.
Zur Prävalenz von EHS werden verschiedene Angaben gemacht. Bezüglich der Ursachen bleiben Fragen offen, wobei die Berichte den Schluss nahelegen, dass NF-EMF als Ursache ungenügend be- legt sind.
Eine Minderheit von Forschenden, die sich Grossteils in der BioInitiative zusammengefunden hat, in- terpretiert die Studienlandschaft deutlich kritischer und ist sogar überzeugt, dass eine Erhöhung des kindlichen Leukämierisikos durch langzeitige NF-EMF-Exposition wissenschaftlich als sehr wahr- scheinlich angesehen werden muss, und dass auch bei anderen Endpunkten (etwa neurodegenera- tive Erkrankungen) mit erhöhten Risiken gerechnet werden muss.
4.3 Studien zu ausgewählten Themen
4.3.1 Kindliche Leukämie
4.3.1.1 Ausgangslage
In den im Kapitel 4.2 referierten Review-Reports ist die allgemeine Datenlage bereits dargestellt wor- den. An dieser Stelle wird sie nochmals kurz zusammengefasst und mit einigen neueren Studiener- gebnissen ergänzt. Hinsichtlich der Risikofaktoren von kindlicher Leukämie ist wenig bekannt. Mezei et al. (2014) fassen zusammen (p. 479):
“Although many epidemiologic studies have examined a variety of environmental exposures, ionizing radiation remains the only generally accepted environmental risk factor for childhood leukemia. Among suspected risk factors, infections, exposure to pesticides, and extremely low frequency magnetic fields are notable“.
Die IARC (2002) hat niederfrequenter Magnetfelder als „möglicherweise kanzerogen für Menschen“ (Gruppe 2B) eingestuft. Die WHO (2007) hat diese Beurteilung übernommen. Die Bewertung basierte massgeblich auf den Metaanalysen (pooled analyses) von Greenland et al. (2000) und Ahlbom et al. (2000). Gemäss den meisten Expertenberichten haben die seither publizierten Einzelstudien insge- samt den statistischen Zusammenhang zwischen NF-Magnetfeldbelastung und kindlicher Leukämie bestätigt. Der quantitative Befund: bei langfristiger erhöhter Magnetfeldbelastung durch Hochspan- nungsleitungen (die am häufigsten gewählte Expositionsgrenzen: für erhöhte Belastung 0.3–0.4 μT; für die Referenz: > 0.1 μT) ergibt sich eine ungefähre Verdoppelung des Risikos von Kindern, an Leu- kämie zu erkranken.
Die Umschreibung „möglicherweise kanzerogen“ begründet einen Verdacht, bedeutet aber keinen Nachweis einer kanzerogenen Wirkung. Sodann: Nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung ist auf Dauer erhöhten Magnetfeldbelastungen ausgesetzt (Schätzungen variieren meist um 1–3% der Kin- der). Das bedeutet für das absolute Risiko, dass – falls ELF-Magnetfelder tatsächlich / ursächlich bei Kindern das Leukämierisiko erhöhen (Grössenordnung 50–100%) – die Anzahl zusätzlicher Erkran- kungen klein ist. Für die Schweiz wird geschätzt, dass es maximal 2–3 Fälle pro Jahr wären.
75/204
C:\Users\jeberhar\Dropbox\2022 BFE Literaturmonitoring\Schlussbericht\20230228 _FAMES_FSM_Schlussbericht.docx