Page 74 - EMF von Stromtechnologien
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 EMF von Stromtechnologien
der Rekrutierung – der Grund sind, warum ein tatsächlich vorhandener Zusammenhang verkannt wer-
den könne. Auch wäre es möglich, dass sich die Effekte nur unter bestimmten Bedingungen oder Ex- positionssituationen manifestieren, welche bisher noch nicht verstanden sind. Insgesamt wurden 18 Hypothesen zur Krankheitsentstehung der EHS untersucht. Der wissenschaftlich wiederholt beschrie- bene Nocebo-Effekt begünstige die Persistenz der Beschwerden, schliesse eine NIS-Quelle als Auslö- ser jedoch nicht aus. Aufgrund der Studienlage dürfe ausgesagt werden, dass EHS-Patienten ein we- niger gutes Wohlbefinden haben und depressiver und ängstlicher sind als ein Vergleichskollektiv, wobei chronische und seltene Krankheiten typischerweise mit erhöhter Ängstlichkeit und Depression einher- gehen. Die Prävalenz pathologischer Persönlichkeiten oder psychiatrischer Erkrankungen sei nicht er- höht. Es fänden sich Verbindungen zu MCS (multiple Chemikaliensensibilität, Fibromyalgie, Migräne und Tinnitus.
Die ANSES Expertengruppe erläutert verschiedene Hypothesen zu EHS, denen vor allem ärztliche Be- obachtungen zugrunde liegen:
(1) Gibt es Biomarker? Antwort: es gibt bislang keinen einzigen Kandidaten
(2) IsteinbestimmterPhänotypvegetativerNervensystememitEHSverknüpft?Antwort:Daskann
heute weder bestätigt noch ausgeschlossen werden
(3) Sind Effekte im zentralen Nervensystem verantwortlich, zum Beispiel
a. eine veränderte Bluthirnschranke? Antwort: hierzu gibt es keine belegten Hinweise
b. eine veränderte Ausschüttung von Neurotransmittern? Antwort: zu wenig Studien, Evi-
denz unzureichend
c. eine Veranlagung zu Migräne? Antwort: lässt sich nicht belegen, die Thematik sei aber
aus ärztlicher Sicht interessant und weitere Forschung dazu nötig
d. eine dysfunktionale zerebrale Aktivität, inklusive Blutfluss und Metabolismus? Antwort: unzureichende Evidenz im Sinne von „offen“. Mögliche Verbindungen mit Fibromyalgie sollten näher geprüft werden, insbesondere EHS-assoziierte Hautsymptome könnten mit der bei Fibromyalgie verifizierten Anomalie kleiner peripherer Hautnerven zusam-
menhängen.
(4) Können Schlafprobleme bzw. Unstimmigkeiten im Wach-Schlaf-Rhythmus eine Ursache sein?
Antwort: Störungen im zirkadianen Rhythmus („innere Uhr“) könnten eine – wenn auch bislang
nicht belegte – Erklärung sein.
(5) Ebenfalls interessant findet die Expertengruppe die Hypothese, dass EHS durch Persönlich-
keitszüge mitverursacht sein könnte (reduzierte Selbstaufmerksamkeit steigert die Neigung zu Externalisierungen). Hier wäre gemäss Experten neue Forschung wichtig.
Die Expertengruppe kommt zu der Schlussfolgerung, dass es unklar ist, ob Veränderungen in der Ex- position etwas am Gesundheitszustand der Betroffenen ändern. Strahlenfreie Zonen und Räume seien so gesehen wissenschaftlich nicht gerechtfertigt. Ein Hauptgewicht liege aber bei der Forschungsförde- rung. Es werden entsprechende Empfehlungen gemacht.
4.2.9 Bewertung
Die internationalen und nationalen Expertengremien kommen insgesamt zum Schluss, dass es offene Fragen zu den gesundheitlichen Wirkungen von NF-EMF gibt. Ungelöst ist laut den meisten Experten- panels nach wie vor die Frage, ob der statistische Zusammenhang zwischen NF-Magnetfeldexposition und kindlicher Leukämie, den viele epidemiologische Studien zeigen, auf eine kausale Beziehung (Verursachung der Krankheit durch niederfrequente Magnetfelder) hindeutet oder nicht (methodisches Artefakt). Tier- und Zellstudien weisen gemäss den meisten der oben gelisteten Berichte nicht auf eine kausale Wirkung hin (Abwesenheit einer Verursachung). Allerdings wurden in Zellexperimenten wie- derholt Effekte auf die DNS nachgewiesen, und bei schwachen Magnetfeldexpositionen ein Anstieg
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