Page 149 - EMF von Stromtechnologien
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 EMF von Stromtechnologien
Massgebend für die Festlegung von Grenzwerten, welche diese Schutzfunktion (Gefahrenabwehr) er-
füllen, sind die wissenschaftlich anerkannten gesundheitlichen Gefährdungen. Menschen sollen sich nie Strahlungsintensitäten aussetzen können, die zu solchen Gefährdungen führen können. Um das sicherzustellen, hat der Gesetzgeber die Grenzwerte – sie werden in der NISV „Immissionsgrenz- werte“ genannt – so festgelegt, dass sie deutlich unterhalb der bekannten Gefährdungszone(n) liegen. Die Immissionsgrenzwerte schützen wirksam und dauerhaft vor den wissenschaftlich bekannten Ge- sundheitsgefahren von EMF. Bei nicht-gepulsten Immissionen gilt im Bereich von 0 kHz bis 100 kHz der höchste Effektivwert als massgebend, im Bereich von 100 kHz bis 10 GHz der über 6 Minuten ge- mittelte Wert. Liegen Immissionen mit gleichzeitig mehreren Frequenzen vor, so gelten frequenzab- hängige Summierungsvorschriften zur Addierung der Immissionen der einzelnen Frequenzen.
6.1.3.2 Anlagengrenzwerte
Das schweizerische Umweltschutzgesetz sieht nicht nur die Gefahrenabwehr vor, sondern auch die Vorsorge. Deshalb will der Gesetzgeber mit der NISV die Menschen auch vor Einwirkungen bewah- ren, die schädlich sein könnten. Es gibt vereinzelte wissenschaftliche Hinweise (die in Fachkreisen durchaus kontrovers diskutiert werden), dass auch schwache elektromagnetische Felder gesundheit- lich negative Auswirkungen haben könnten. Sodann kann nach Meinung des Gesetzgebers die Wis- senschaft gegenwärtig eine mögliche Langzeitgefährdung durch schwache EMF nicht zweifelsfrei aus- schliessen. Aufgrund dieser Sachlage und Einschätzung verfügte der Bund eine vorsorgliche Emissi- onsbegrenzung. Dazu verordnete er „Anlagegrenzwerte“, die gezielt tiefer liegen, als es aufgrund der wissenschaftlich anerkannten Kenntnisse über Gesundheitsrisiken starker Strahlung notwendig wäre. Kriterium für Festsetzung der Anlagegrenzwerte ist also nicht das gesundheitliche Risiko sondern, ob die Werte technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar sind (Art 4, Abs 2, NISV).
6.1.3.3 Gültigkeit und Festlegung der Anlagegrenzwerte
Die Anlagegrenzwerte gelten für Orte, an denen sich Menschen regelmässig über längere Zeit aufhal- ten. Dazu gehören Wohnräume, Büros, Schulzimmer, Kinderspielplätze, Schulen oder Spitäler. Dort muss die Strahlenbelastung um Faktoren unterhalb der Immissionsgrenzwerte liegen (bei 50 Hz für die magnetische Flussdichte beispielsweise um einen Faktor 100). Die Anlagegrenzwerte sind damit wesentlich tiefer als die Immissionsgrenzwerte. Der Anlagegrenzwert für niederfrequente EMF gilt nur für Magnetfelder, nicht für elektrische Felder. Die Reduktionsfaktoren der Anlagengrenzwerte gegen- über den Immissionsgrenzwerten sind über politische Verfahren festgelegt worden (technische, be- triebliche und wirtschaftliche Überlegungen). Aus Sicht einiger Umweltverbände sind diese Anlage- grenzwerte noch immer zu hoch, aus Sicht vieler Anlagenbetreiber sind sie unbegründet tief. Das zeigt, dass Grenzwerte – insbesondere vorsorgliche Grenzwerte, die wissenschaftlich weder "bewie- sen" noch „entkräftet“ werden können – meist umstrittene Setzungen sind.
Sodann unterscheidet die NISV auch zwischen alten und neu erstellten bzw. zu erstellenden Anlagen. Neue Anlagen müssen alle Grenzwerte einhalten, für alte Anlagen bestehen Ausnahmeregelungen, jedenfalls solange diese Anlagen betrieblich unverändert genutzt werden. 2016 wurden die Bestim- mungen in diesem Bereich aktualisiert. Demnach gelten zusätzlich Anlagen mit mehreren Leitungen als alt, wenn mindestens eine Leitung rechtskräftig bewilligt war. Zudem wurden die Vorrausetzungen angepasst und präzisiert, wann eine Änderung einer Anlage vorliegt. Geänderte alte Anlagen müssen grundsätzlich an Orten mit empfindlicher Nutzung den Anlagegrenzwert einhalten. Ausnahmen sind unter bestimmten Bedingungen möglich.
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