Page 141 - EMF von Stromtechnologien
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 EMF von Stromtechnologien
Ausmass ihrer Auswirkungen auf die Landschaft und in ihrer Sichtbarkeit. Zudem hängt die Akzeptanz
von Übertragungsleitungen auch davon ab, ob es sich um bestehende oder neu errichtete Stromlei- tungen handelt (Soini et al., 2011). Die Akzeptanz von Stromleitungen fällt somit je nach Art der Ände- rung am Stromnetz verschieden aus, da diese Änderungen mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Sichtbarkeit und das Landschaftsbild einhergehen können. In einer Schweizer Studie wurde ge- zeigt, dass Anpassungen am Stromnetz wie die Erneuerung bestehender Stromleitungen und techni- sche Innovationen, die ohne visuelle Änderungen erfolgen, eher akzeptiert werden als sichtbare Ver- änderungen wie die Vergrösserung der Masten oder der Neubau von Hochspannungsleitungen (Lienert et al., 2015). Die Art der Übertragungstechnologie (bspw. AC DC) sowie etwaige Veränderun- gen daran scheinen gemäss einer Studie in Deutschland die Akzeptanz von überirdischen Leitungen nicht zu beeinflussen (Zaunbrecher et al., 2016).
5.2.2 Psychologische Faktoren und Prozesse
5.2.2.1 Risikowahrnehmung
Es wurden bisher nur wenige Studien mit einem spezifischen Fokus auf die Risikowahrnehmung von EMF im Zusammenhang mit Stromleitungen durchgeführt (Furby et al., 1988), (Gregory & von Winterfeldt, 1996), (MacGregor et al., 1994), (Morgan et al., 1990), (Morgan et al., 1985), (Slovic, 1987). Studien, die mittels des psychometrischen Paradigmas die Determinanten der Risikowahrneh- mung im Hinblick auf verschiedene Gefahren identifizierten, zeigten, dass Hochspannungsleitungen als ein moderates Risiko betrachtet werden (Slovic, 1987): Sie werden von der Öffentlichkeit als ein wenig bekanntes Risiko mit einem moderaten Gefahrenpotential eingestuft (Morgan et al., 1985). Eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt, dass die Risikowahrnehmung je nach Technologie zu variieren scheint. So werden Unkontrollierbarkeit von Risiken sowie die Existenz unbekannter Risiken bei Mo- bilfunkmasten höher als bei Strommasten eingeschätzt (Linzenich et al., 2020).
Seitens der Bevölkerung gibt es verschiedene Missverständnisse bezüglich EMF-Quellen und deren Risiko, die einen verzerrenden Einfluss auf Einstellungen und Entscheidungen haben können. So wird zum Beispiel der Zusammenhang zwischen der Distanz zu einer EMF-Quelle und der Exposition falsch beurteilt: Die meisten sind sich nicht bewusst, dass EMF von Quelle, die nahe am eigenen Kör- per sind (z.B. EMF ausgehend von einem Staubsauger), tatsächlich viel stärker sein können als dieje- nigen von starken Quellen, die weiter entfernt aber doch in relativer Nähe sind wie etwa Stromleitun- gen (Claassen et al., 2016). Dies kann sich entsprechend negativ auf die Akzeptanz von Strategien im Zusammenhang mit der Standortwahl von Stromleitungen auswirken, da die vorgeschlagenen nicht allzu weit entfernten Standorte von der Bevölkerung als unwirksam für die Minimierung der Exposition empfunden werden.
Nebst der Risiko- ist auch die Nutzenwahrnehmung ein wichtiger Faktor für die Akzeptanz von Tech- nologien. Viele Studien lassen vermuten, dass die Nutzenwahrnehmung sogar entscheidender für die Technologieakzeptanz ist als die wahrgenommenen Risiken. Es wurde zum Beispiel gezeigt, dass die Akzeptanz der Kernenergie von Befürwortern von Kernkraftwerken hauptsächlich durch den wahrge- nommenen ökonomischen Nutzen beeinflusst wird (Visschers et al., 2011), während Gegner diesen Nutzen weniger hoch gewichten und daher nicht gewillt sind, die mit dieser Technologie verbundenen Risiken zu akzeptieren (Eiser & van der Pligt, 1979). Die Veränderung in der Nutzenwahrnehmung war auch einer der Hauptgründe für die Einstellungsänderung gegenüber der Kernenergie in der Schweizer Bevölkerung nach dem nuklearen Unfall in Fukushima (Siegrist et al., 2014). Obwohl die Bevölkerung nach Fukushima mehr Risiken mit Kernenergie verband, war diese Änderung in der Risi- kowahrnehmung nicht der ausschlaggebende Faktor für die Einstellungsänderung. Auch im Hinblick auf die allgemeine und lokale Akzeptanz von Stromleitungen stellt sich die Nutzenwahrnehmung als wichtigerer Prädiktor heraus als die Risikowahrnehmung (Lienert et al., 2015).
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