Page 140 - EMF von Stromtechnologien
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EMF von Stromtechnologien
Exposition kann die Bedenken bezüglich des Krebsrisikos im Zusammenhang mit Hochspannungslei-
tungen reduzieren (Claassen et al., 2015). Eine höhere Akzeptanz von Hochspannungsleitungen in der Nähe des Wohnsitzes wird dadurch jedoch nicht erzielt.
Gemäss einer Literaturübersicht aus dem Jahr 2020 lässt sich die Forschung zur Akzeptanz von Technologie und Infrastruktur hinsichtlich erneuerbarer Energien in drei Wellen einteilen. Während die 90er Jahre von normativen Forschungsansätzen (normative approaches) geprägt sind, welche Befür- worter:innen und Gegner:innen analysieren und charakterisieren, um Ablehnung von Technologie und Infrastruktur zu überwinden, folgt ab Beginn der 2000er eine Phase der kritisierenden Forschungsan- sätze (criticism approaches). Diese erforschen primär sozialpsychologisch und gesellschaftlich be- dingte Faktoren der Ablehnung, mit dem Ziel, Widerstand zu verstehen und den Übergang zu erneuer- baren Technologien zu erleichtern. Ab 2010 rücken kritische Ansätze (critical approaches) auf ideolo- gischer, theoretischer und methodologischer Ebene in den Mittelpunkt der Forschung, welche der Frage nachgehen, ob Widerstand überhaupt reduziert oder beseitigt werden sollte (Batel, 2020).
5.2 Einflussfaktoren
5.2.1 Physikalische Charakteristiken
5.2.1.1 Räumliche Faktoren
Verschiedene Studien zeigten, dass die allgemeine Einstellung gegenüber Infrastrukturen im Zusam- mengang mit der Förderung erneuerbarer Energie, wie sie in Bevölkerungsbefragungen erfasst wird, keine geeignete Grundlage für Schlussfolgerungen im Hinblick auf die lokale Akzeptanz darstellt (Pidgeon & Demski, 2012). Die allgemeine Einstellung und Akzeptanz bezüglich dieser Projekte fällt generell höher aus als die der lokalen Bevölkerung, die sich mit den konkreten Auswirkungen konfron- tiert sieht. Insbesondere Gesundheitsbedenken sowie ein potentieller Wertverlust von Eigentum stel- len zentrale Bedenken der lokalen Wohnbevölkerung gegenüber Hochspannungsleitungen dar. Die damit einhergehende geringe Akzeptanz scheint durch finanzielle Anreize sowohl auf Gemeinde- als auch Individualebene nicht positiv beeinflussbar zu sein (Simora et al., 2020). Auch die Bereitstellung von Informationen zu Vorsichtsmassnahmen kann die empfundene Sicherheit und Akzeptanz negativ beeinflussen und dadurch den Wunsch nach einer grösseren räumlichen Distanz zu Stromleitungen befördern (Wiedemann et al., 2018). Mit zunehmender räumlicher Distanz zu den Übertragungsleitun- gen nimmt die Akzeptanz zu (Bertsch et al., 2016; Sharpton et al., 2020) und Bedenken, wie etwa Ge- sundheitsbedenken im Hinblick auf EMF (Cotton & Devine-Wright, 2013), nehmen ab. Akzeptanz scheint insbesondere gering bei Personen, die starke «NIMBY-Überzeugungen» (not in my backyard) aufweisen (Liebe & Dobers, 2019).
Visuelle Beeinträchtigungen und Veränderungen der Landschaft sind wie bei anderen Energieinfra- strukturen (z.B. Windkraftanlagen) eine der Hauptursachen für die negative Beurteilung des Baus von Stromleitungen (Devine-Wright & Devine-Wright, 2009; Koecklin et al., 2021; Linzenich et al., 2020; Simora et al., 2020). Eine präferierte Option scheint demnach der Bau unterirdischer Leitungen zu sein. Dies aber nur, sofern die negativen Auswirkungen auf Natur und Gesundheit nicht bekannt sind. Die Bereitstellung von Informationen senkt die Akzeptanz unterirdischer Leitungen, vermag gleichzei- tig aber nicht jene überirdischer Leitungen zu erhöhen (Lienert et al., 2018). Die Standortwahl ist da- her ein wichtiger Faktor im Zusammenhang mit dem Bau von Strommasten.
5.2.1.2 Technologische Faktoren
Die Akzeptanz von Energieinfrastrukturen hängt von den technischen Eigenheiten ab (Devine-Wright, 2008). Infrastrukturprojekte variieren in ihrer Grösse und unterscheiden sich entsprechend auch im
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