Page 139 - EMF von Stromtechnologien
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 EMF von Stromtechnologien
5. Sozialwissenschaftliche Studien zu NF-EMF
Eine moderne, funktionierende Netzinfrastruktur ist eine wichtige Voraussetzung für die Sicherstellung der Energieversorgung. Zudem stellt die Förderung der erneuerbaren Energien im Rahmen der Ener- giewende neue Anforderungen an die Netzinfrastruktur. Die Bereitstellung der erforderlichen Anlagen und die Entwicklung neuer technologischer Möglichkeiten garantiert jedoch noch lange keine erfolgrei- che Umsetzung der Massnahmen zur Anpassung der Netze. Die mangelnde Akzeptanz von Projekten in Zusammenhang mit dem Stromleitungsbau in der Bevölkerung ist eine der Hauptursachen für die Verzögerung oder gar das Scheitern von Netzausbauprojekten (Cain & Nelson, 2013), (Furby et al., 1988), (Vajjhala & Fischbeck, 2007). Auch in der Strategie Stromnetze im Rahmen der Energiestrate- gie 2050 wurde die Erhöhung der Akzeptanz des erforderlichen Um- und Ausbaus der Stromnetze als ein wichtiges Element zur Erreichung des Ziels einer bedarfs- und zeitgerechten Netzentwicklung auf- gegriffen (Bundesrat, 2013). Die sozialwissenschaftliche Forschung im Energiebereich kann entschei- dend zum Verständnis der Akzeptanz des Stromleitungsbaus und ihrer Determinanten und Mechanis- men beitragen sowie allfällige Herausforderungen und Möglichkeiten im Hinblick auf die Erhöhung der Akzeptanz aufzeigen (Ryan et al., 2014), (Sovacool, 2014).
5.1 Akzeptanz von Energieinfrastrukturen
Nach dem nuklearen Unfall in Fukushima im März 2011 kam es in verschiedenen Ländern zu einer Änderung in der Wahrnehmung der Energietechnologien. Im Zusammenhang mit der Kernenergie wurden nach diesem Vorfall mehr Risiken und weniger Nutzen wahrgenommen und die Einstellung gegenüber Kernenergie fiel negativer aus (Y. Kim et al., 2013), so auch in der Schweiz (Siegrist & Visschers, 2013). Gegenüber erneuerbaren Energien ist die Schweizer Bevölkerung jedoch sehr posi- tiv eingestellt (Visschers & Siegrist, 2014), (Sütterlin & Siegrist, 2017). Die Förderung von erneuerba- ren Energien findet in Bevölkerungsbefragungen generell sehr grossen Zuspruch. Mit der konkreten Implementierung von erneuerbaren Energien werden aber auch negative Aspekte wie etwa die Beein- trächtigung der Landschaft, der Natur und der Ästhetik ersichtlich. Dies kann zu einer verminderten Akzeptanz und auf lokaler Ebene zu Widerstand gegen Energieinfrastrukturprojekte führen; für eine Übersicht siehe: (Perlaviciute & Steg, 2014).
Was die physikalischen Charakteristiken (z.B. die Auswirkungen auf die Landschaft und die Ästhetik) und die Charakteristiken des Planungsprozesses von erneuerbaren Energieinfrastrukturen anbelangt, so finden sich viele dieser Eigenschaften auch bei Projekten im Zusammenhang mit Stromleitungen und haben ähnliche Auswirkungen auf deren Akzeptanz (Bertsch et al., 2017), (Cain & Nelson, 2013), (Cotton & Devine-Wright, 2013), (Elliott & Wadley, 2012). In einigen wesentlichen Aspekten unter- scheidet sich die Wahrnehmung der Infrastruktur zur Stromübertragung und -verteilung jedoch ent- scheidend von derjenigen von erneuerbaren Energien. Im Gegensatz zu Infrastrukturen zur Förderung von Erneuerbaren werden Stromleitungen und -masten nicht automatisch als „grüne“ Infrastruktur be- trachtet (Cohen et al., 2014) und daher wird ihr Nutzen im Hinblick auf die Förderung von erneuerba- rer Energie nicht wahrgenommen. Zudem werden Stromleitungen aufgrund der von ihnen ausgehen- den elektromagnetischen Felder als Gesundheitsrisiko betrachtet. Die Gesundheitsbedenken im Zu- sammenhang mit EMF sind der Hauptantriebsfaktor für den Widerstand gegen Stromleitungen (Cotton & Devine-Wright, 2013), (Elliott & Wadley, 2012) (Elliott et al., 2016). Wie diverse Studien aufzeigen, besteht in der Öffentlichkeit im Allgemeinen eine grosse Unsicherheit über die negativen Auswirkun- gen auf die Gesundheit (Claassen et al., 2016), (Jarry T. Porsius et al., 2016). Diese Unsicherheit wird unter anderem durch Inkonsistenzen in den Mitteilungen der Medien, Behörden oder anderweitigen Kommunikationsquellen herbeigeführt und kann eine verstärkende Wirkung auf die Gesundheitsbe- denken haben (Jarry T. Porsius et al., 2016). Eine angemessene Informationsvermittlung zur EMF-
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