Page 137 - EMF von Stromtechnologien
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 EMF von Stromtechnologien
4.4 Forschungsbedarf
4.4.1 Kinderleukämie
Bei der Vielzahl bisher durchgeführter Fall-Kontrollstudien zu Kinderleukämie ist offensichtlich, dass von weiteren Studien vom selben Typ kein wesentlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Gefragt sind neue Ansätze, z.B. Kohortenstudien mit vulnerablen Populationen (z.B. Kinder mit Down-Syn- drom) oder mit hohem Anteil an hochexponierten Kindern (z.B. Kinder in Gebäuden mit Transformato- ren). Ebenfalls interessant sind Gen-Umwelt-Interaktionsstudien, da diese Hinweise auf mögliche bio- logische Wirkungsmechanismen geben könnten. Nötig wären auch Studien mit verbesserter Expositi- onsbestimmung, z.B. mit prospektiv gesammelten Informationen. Es ist jedoch zu betonen, dass sol- che Studien genügend gross sein müssen und entsprechend aufwändig sind. Interessant sind auch neue Ansätze, wie die in Kapitel 4.3.2.3 erwähnte Studie von Khan et al. (Khan et al., 2022), welche möglichst viele Confounder ausschliessen.
Nötig wäre auch eine systematische Evaluation, ob die beobachteten Zusammenhänge zwischen Magnetfeldbelastungen und Kinderleukämien durch andere Faktoren ausgelöst sind, die im Zusam- menhang mit Magnetfeldern stehen könnten. Diskutiert wurden in diesem Zusammenhang insbeson- dere in der Umgebung von Hochspannungsleitung auftretende Kontaktströme oder koronare Entla- dungen, die über eine veränderte Chemie der Umgebungsluft auf die Kinder wirken könnten. Solche Faktoren sind möglicherweise dafür verantwortlich, dass auch in Distanzen von 200–600 m von Hoch- spannungsleitungen noch erhöhte Erkrankungsraten beobachtete wurde, obwohl dort die Magnetfeld- belastung bereits Hintergrundwerte erreicht.
Um die beobachteten epidemiologischen Zusammenhänge erklären zu können, sind zusätzliche expe- rimentelle Untersuchungen notwendig, welche sich insbesondere auch den möglichen Wirkungsme- chanismen widmen. Hier sind in den letzten Jahren neue Tiermodelle und Mechanismen mit Involvie- rung von ROS in den Vordergrund getreten. Die Datenlage lässt aber weiterhin keine abschliessende Beurteilung des Risikos für kindliche Leukämie zu.
4.4.2 Neurodegenerative Erkrankungen
Um die Unklarheiten in Bezug auf ein erhöhtes Alzheimer oder ALS Risiko zu klären sind weitere epi- demiologische Studien nötig, insbesondere zu Alltagsbelastungen. Zentral für solche Studien ist, dass die Exposition prospektiv abgeschätzt oder modelliert werden kann. Studien zu Berufsexpositionen bieten sich an, um die Auswirkungen von Magnetfeldexposition und von elektrischen Schlägen unter- scheiden zu können. In Bezug auf letzteres ist insbesondere auch unklar, welche Art von Stromschlä- gen besonders problematisch sein könnte (wenn überhaupt). Sind es eher die starken seltenen Ereig- nisse oder die häufigen schwachen Ereignisse?
Weitere experimentelle Laborstudien (in-vivo und in-vitro) sind notwendig. Zu klären sind insbeson- dere Wirkungsmechanismen und Effekte möglicher Ko-Expositionen.
4.4.3 Elektromagnetische Hypersensibilität
Offene Fragen betreffen hier unter anderem die Wahrnehmbarkeit von Feldern. Neuer Arbeiten (siehe Kapitel 4.3.6.1) haben hier durchaus unerwartete Ergebnisse geliefert und entsprechende Untersu- chungen sollten weitergeführt werden. Clevere Studiendesigns sind gefragt, um die Frage zu klären, ob es - wie teilweise postuliert - eine Gruppe mit erhöhter Wahrnehmungsfähigkeit gibt. Wichtig scheint aber in diesem Zusammenhang konzeptionell zwischen erhöhter Wahrnehmungsfähigkeit und
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