Page 130 - EMF von Stromtechnologien
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 EMF von Stromtechnologien
beobachtet. Zusätzliche Analysen bezüglich oxidativem Stress und Funktion von Leber und Nieren
zeigten keine Befunde. Vergleichbare Beobachtungen und Schlussfolgerungen resultieren auch in ei- ner anderen Rattenstudie, in der männliche Tiere für bis zu 4 Wochen täglich 2 Stunden einem 50 Hz NF-MF bei 20, 100 oder 500 μT Feldstärke ausgesetzt waren (Luo et al., 2017). Ob die Langzeitexpo- sition mit einem 50 Hz NF-MF bei 15 μT einen Einfluss auf die Blutkoagulation hat, wurde in Mäusen untersucht (Vallejo et al., 2019). Männliche und weibliche Tiere wurden für 14 Wochen exponiert. Un- tersucht wurden dann deren Nachwuchs, der auch unterer stetiger Exposition war. Die Autoren berich- ten von einer reduzierten Koagulationszeit des Blutes von exponierten weiblichen, nicht aber männli- chen Tieren.
4.3.6.5 Hormonsystem
Das Interesse in diesem Themenfeld konzentriert sich auf das neuroendokrine System, insbesondere das Zirbeldrüsenhormon Melatonin. Das Melatonin ist insofern speziell beachtet worden, weil es als ein „Schutzfaktor“ gegenüber Krebs, insbesondere Brustkrebs, bekannt ist. Eine Senkung des Melato- ninspiegels durch NF-MF hätte folglich die unerfreuliche Konsequenz, dass damit das Krebsrisiko an- steigen würde. Dieser Zusammenhang ist als sog. Melatonin-Hypothese bekannt. Neben dem Melato- nin sind aber auch andere Hormone (etwa Wachstums-, Fortpflanzungs- und Stoffwechsel-Hormone der Hypophyse oder das Stresshormon Cortisol der Nebennierenrinde) untersucht worden.
Die WHO hat in ihrer Literatur-Review 27 Humanstudien (experimentelle Provokationsstudien sowie epidemiologische Arbeiten mit beruflicher oder häuslicher Exposition) zu Melatonin und 5 Humanstu- dien zu Hypophysenhormonen analysiert. In den berücksichtigten Arbeiten geht es hauptsächlich um Magnetfeldexpositionen. Teilweise werden aber auch Wirkungen von niederfrequenten elektrischen Feldern studiert. Die 14 berücksichtigten Laborstudien mit kontrollierten Expositionsbedingungen zei- gen fast durchwegs Nullresultate. Die epidemiologischen Arbeiten demgegenüber weisen gemischte Ergebnisse auf, wobei eine Mehrheit zumindest in Teilanalysen erniedrigte Melatoninspiegel gefunden hat. Die Bewertung der Befunde schwierig, insbesondere weil der Einfluss von Störgrössen (etwa der Lebensstil) nicht durchwegs berücksichtigt wird. Angesichts dieser Studienlage und der erwähnten Mängel kommt die (WHO, 2007) zu folgender Schlussfolgerung (p. 185, 186):
„The results of volunteer studies as well as residential and occupational studies suggests that the neu- roendocrine system is not adversely affected by exposure to power-frequency electric and/or magnetic fields. This applies particularly to the circulating levels of specific hormones of the neuroendocrine sys- tem, including melatonin, released by the pineal gland, and a number of hormones involved in the con- trol of body metabolism and physiology, released by the pituitary gland”. (...) “Overall, these data do not indicate that ELF electric and/or magnetic fields affect the neuroendocrine system in a way that would have an adverse impact on human health and the evidence is thus considered inadequate”.
(ICNIRP, 2010) beruft sich im Wesentlichen auf diese Bewertung der WHO, (SCENIHR, 2015) themati- siert hormonale Effekte nicht. BioInitiative (2012) kommt demgegenüber zum Schluss (Section 13, p. 9):
„Eleven (11) of the 13 published epidemiologic residential and occupational studies are considered to provide (positive) evidence that high ELF MF exposure can result in decreased melatonin production”.
Dabei wird richtigerweise darauf hingewiesen, dass bei Provokationsstudien im Labor generell keine Effekte gefunden wurden. Es wird vermutet, dass nur bei chronischer Exposition Beeinflussungen stattfinden, und es wird (wenig professionell) spekuliert, dass in Laborstudien zu „reine“ Expositionen vorliegen könnten, was immer das genau heissen und bedeuten mag. Insgesamt ist die Bewertung der BioInitiative-Gruppe zu Melatonin recht unkritisch und wenig überzeugend.
Weitere Review-Berichte stammen von (Touitou & Selmaoui, 2012) und (Halgamuge, 2013). Bezüg- lich des Stresshormons Cortisol listet die erste Arbeit 6 Studien auf, die alle keine Effekte zeigten. Be-
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