Page 121 - EMF von Stromtechnologien
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 EMF von Stromtechnologien
nicht realen) 50 Hz Magnetfeldbedingungen demonstrierten (Szemerszky et al., 2010) die Bedeutung
der Erwartungshaltung. Wenn elektrosensiblen Personen das vermeintlich starke Magnetfeld „verab- reicht“ wurde, fühlten sie sich in ihrem Wohlbefinden deutlich stärker beeinträchtigt als bei Exposition gegenüber einem schwachen oder gar keinem Magnetfeld. In Analogie zum Placebo-Effekt (Hoffnung auf Heilung) spricht man im Fall von Angst vor einer Beeinträchtigung von einem Nocebo-Effekt. Pla- cebo- und Nocebo-Effekte wurden v.a. im Zusammenhang mit Medikamenten studiert, wobei in neue- ren Arbeiten v.a. die Wirkfaktoren interessieren, z.B. der Einfluss der Wahlmöglichkeit (Bartley et al., 2016) oder das Wissen über Nebenwirkungen (Faasse et al., 2015). Für ein psychologisches bzw. ein psychosomatisches Wirkmodell mit EMF-Bezug siehe: (Kjellqvist et al., 2016) bzw. (Osterberg et al., 2007); für eine Studie zu neuronalen Korrelaten dazu: (Landgrebe, Barta, et al., 2008).
In Provokations-Studien mit HF-EMF, insbesondere Mobilfunkstrahlung, wurde der Nozebo-Effekt mehrfach nachgewiesen. In (Mueller & Schierz, 2004) wurde der Einfluss von 50 Hz Exposition auf den Schlaf von elektrosensiblen Personen getestet. Die Autoren fanden, dass unter Feldeinfluss die Personen ein Ausweichverhalten (weg von der Expositionsquelle) zeigen, dass aber die subjektiv empfundene Schlafqualität bei eingeschaltetem Feld grösser war als ohne Feld.
Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen niederfrequenter Magnetfeldexposition und reduziertem Wohlbefinden fanden (McCarty et al., 2011) bei ausführlichen Tests mit einer elektronsensiblen Ein- zelperson. (Landgrebe, Frick, et al., 2008) fand erhöhte Symptomausprägungen unter TMS (transkra- nialer Magnetfeldstimulation). Auch (Maestu et al., 2013) arbeiteten mit TMS-Expositionen. Sie unter- suchten gegen 54 Patienten mit Fibromyalgie (Weichteilrheuma) die sie in eine Expositions- und eine Schein-Expositionsgruppe unterteilten. Während 8 Wochen wurden die Personen einmal pro Woche mit sehr schwachen Feldern exponiert / scheinexponiert. Die Schmerzempfindlichkeit nahm bei der exponierten Gruppe ab, und auch die Schlafqualität verbesserte sich. Andere untersuchte Symptome blieben unverändert. (Koteles et al., 2013) untersuchten 29 EHS und 41 nicht-EHS Personen. Sie fan- den einzelne Hinweise auf möglicherweise durch die Exposition (50 Hz Magnetfeld, 500 μT, appliziert am Unterarm in einer zufälligen Folge von 10 realen und 10 Scheinexpositionen von je 1 Minute) ver- ursachte Symptome, insgesamt aber beurteilen sie die Ergebnisse eher als Unterstützung der These einer psychosomatischen Verursachung (sog. Nozebo-Effekt). In einer neueren Studie (Domotor et al., 2016) bestätigte sich diese Beurteilung. Die niederländische Studie (van Moorselaar et al., 2017) ist hinsichtlich 50 Hz Feldern wenig ergiebig, da nur 5% der Probanden sich auf ELF testen lassen wollten.
Epidemiologische und Humanstudien seit 2017
In der Studie von Adrianome et al (2018) (Andrianome et al., 2018) wurden verschiedene Biomarker im Speichel und Urin bei 30 Personen, welche sich als elektromagnetisch hypersensitiv bezeichneten, mit den entsprechenden Werten einer Kontrollgruppe von 25 Personen verglichen mit ähnlicher Alters- und Geschlechtsverteilung. Die meisten Marker des Immunsystems und zirkadianer Rhythmen (z.B. Kortisol, Immunoglobulin A, C-reaktives Protein, Neopterin) unterschieden sich nicht zwischen den beiden Gruppen. Das Speichelenzym Alpha-Amylase hingegen war in der EHS-Gruppe erhöht. Unklar ist, ob dieser Unterschied auf EMF zurückzuführen ist, oder ob er eine Konsequenz von chronischem Stress in Personen mit EHS ist.
Piras et al. (2020) (Piras et al., 2020) untersuchten das Blutplasma-Metabolom bei IEI-EMF und ge- sunden Probanden mittels 1H-NMR-Spektroskopie in Verbindung und führten bei allen Probanden psychologische und physische Tests durch. Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen IEI- EMF-exponierten und Kontrollpersonen in Bezug auf Persönlichkeitsaspekte, Impulskontrolle und Angst festgestellt. Das Metabolom bei IEI-EMF Probanden zeichnete sich durch höhere Werte von Glycin und Pyroglutamat und niedrigere 2-Hydroxyisocaproat, Cholin, Glutamin und Isoleucin im Ver- gleich zu gesunden Personen aus. Diese Metaboliten sind an mehreren Stoffwechselwegen im Zu-
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