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schätzer beeinflusst sein könnten. Sodann ist auch anzunehmen, dass in Studien, die mit Todesschei-
nen gearbeitet haben, Demenzerkrankungen untervertreten sind, was eine zusätzliche Fehlerquelle ist. ALS hingegen dürfte in diesen Registern aufgrund der hohen Sterblichkeit in relativ jungem Alter zuverlässiger erfasst sein. Die Heterogenität der publizierten Arbeiten ist sehr gross, so dass auch Meta-Analysen mit der angemessenen Vorsicht interpretiert werden müssen.
Ein vorsichtig formuliertes Gesamtbild sieht folgendermassen aus: Es ist unwahrscheinlich, dass nie- derfrequente Magnetfeldexpositionen, berufliche wie häusliche, das Risiko von Parkinson und MS er- höhen. Nicht auszuschliessen ist, dass beruflich stark exponierte Personen (spezifische Berufsgrup- pen und Tätigkeiten) ein leicht erhöhtes Risiko für ALS und Alzheimer, allenfalls auch für andere De- menzerkrankungen, eingehen. Für Alltagsexpositionen ist die Datenlage noch sehr dünn, vereinzelte Hinweise deuten aber auf ein erhöhtes Alzheimer-Risiko hin. Hinsichtlich ALS bleibt unklar, ob berufli- che Belastungen an Magnetfeld-exponierten Jobs und Tätigkeiten das Risiko erhöht oder ob auch Stromschläge eine Rolle spielen. Die Studienlage ist diesbezüglich inkonsistent, aber praktisch alle Studien zu beruflichen Expositionen finden entweder für das eine (Magnetfeld) oder für das andere (Stromschläge) ein erhöhtes Risiko. Die Schwierigkeit bei der Erforschung dieser Krankheit ist, dass sie sehr selten ist. Obwohl einige neue Studien publiziert wurden, hat sich an der Einschätzung eines möglichen Risikos seit 2017 wenig geändert. In den neuen Studien sind die Resultate ähnlich wie bis- her.
4.3.4 Fruchtbarkeit, Schwangerschaft, Geburt
4.3.4.1 Männliche Fruchtbarkeit
Den Grossteil der Untersuchungen zu dieser Fragestellung machen Tierstudien aus. (de Bruyn & de Jager, 2010) fassen den Wissensstand vor 12 Jahren folgendermassen zusammen (p. 53):
“These studies on reproductive effects in the mammalian system reported mostly non-significant re- sults, but some significant effects were found. (Ramadan et al., 2002) reported a decreased sperm count, sperm motility, and daily sperm production. (Al-Akhras et al., 2006) also reported reduced tes- ticular sperm count”.
(Lee et al., 2014) kommen 4 Jahre später (ähnlich wie die BioInitiative Gruppe) zu einem aus ihrer Sicht klaren Schluss (p. 3):
“There is continuously increasing evidence of adverse effects of ELF-MF on testes in mammals”.
2013 fanden Akdag et al. (Akdag et al., 2013) mit Langzeitexposition (2 Std/Tag, 7 Tage/Woche über 10 Monate; 100 μT und 500 μT) von Ratten keine Auswirkungen auf Spermienzahl und Spermienbe- weglichkeit, hingegen wird eine Aktivität verstärkt, die für die Apoptose während der Spermienproduk- tion verantwortlich ist. Das könnte die Befunde von (Kim et al., 2014) und (Tenorio et al., 2014) erklä- ren. Erstere stellten eine erhöhte Apoptoserate (und eine tiefere Spermienzahl) in ihren Versuchen mit exponierten Mäusen fest (Expositionen 2–200 μT; 24 Std/Tag, 8 Wochen), letztere eine verminderte Erholung bei geschädigter Spermatogenese (Exposition: 3x30 Min/Tag, 15 Tage; 1 mT). (Duan et al., 2014) hingegen kommen nach Exposition von Ratten mit 500 μT starken 50 Hz Magnetfeldern, (4Std/Tag, 7 Tage/Woche, 4 bzw. 8 Wochen lang) zum Schluss (p. 58):
“In conclusion, our study indicates that exposure to low intensity ELF-MF may have no adverse effects on spermatogenesis”.
An dieser unsicheren Datenlage und unterschiedlichen Schlussfolgerungen hat sich auch bis heute wenig geändert. Auch weil die Mehrheit der neueren Publikation, die sich mit der Thematik der männli- chen Fruchtbarkeit befasste, aus dem HF-EMF-Bereich stammen (Gautam et al., 2021). In ihrer Über- sichtsarbeit fassen Santini et al. (Santini et al., 2018) dies so zusammen:
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