Page 109 - EMF von Stromtechnologien
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EMF von Stromtechnologien
Kausalität zwischen neurodegenerativen Erkrankungen und EMF auseinandersetzen. Zusätzlich gibt
es aber einige Untersuchungen zu EMF-Einflüssen auf kognitive Fähigkeit und neuronale Funktionen und Entwicklung (siehe Kapitel 0), die auch im Zusammenhang zu neurodegenerativen Erkrankungen stehen. Zudem gilt es bei experimentellen Studien zu beachten, dass in vielen davon EMF zu thera- peutischen Interventionen eingesetzt werden und eher schützend wirken (Consales et al., 2012b; Consales, Merla, et al., 2018). Eine neuere Übersichtsarbeit fasst den gegenwärtigen Wissensstand so zusammen (Riancho et al., 2021):
"To date, there is no clear and consistent evidence supporting a causative relationship between elec- tromagnetic field and AD, PD, or ALS. Interestingly, this electromagnetic radiation has been assessed as a therapeutic tool for some of these conditions, especially for PD, with intriguing results. Future epi- demiological, clinical, and experimental studies will help to clarify this issue".
In der Tierstudie von Hu et al. (Hu et al., 2016) wurde ein Mausmodel für Alzheimer (und zum Ver- gleich gesunde Tiere) eingesetzt, um den Einfluss eines 50 Hz NF-MF auf kognitiven Fähigkeiten und molekulare Marker zu untersuchen. Diese Tiere entwickeln Demenzsymptome im Alter von sechs Mo- naten und wurden ab dem Alter von drei Monaten täglich für 20 Stunden mit einem 500 μT 50 Hz NF- MF ausgesetzt. Die Autoren berichten, dass die exponierten Tiere des Alzheimer-Modells einen redu- zierten Verlust der kognitiven Fähigkeiten aufwiesen. Auf molekularer Ebene zeigte sich, dass der Verlust an Proteinen im Hypocampus, die für Gedächtnisleistung wichtig sind, weniger ausgeprägt ist und dass die Exposition auch oxidativem Stress und dem Absterben von Neuronen durch Apoptose entgegenwirkte. Zudem waren die für Alzheimer typische Plaque-Bildung und Aggregation vom Tau- Proteinen weniger ausgeprägt, sodass die Autoren schlussfolgerten, dass die NF-MF-Exposition einen protektiven Effekt auf die Ausbildung von Alzheimer hat. In den gesunden Tieren mit und ohne Exposi- tion hingegen wurden kaum signifikante Unterschiede beobachtet, und wenn, war eher ein Trend zu verbesserten kognitiven Fähigkeiten und höheren Level an den «Gedächtnis»-Proteinen.
Den gleichen protektiven Effekt von NF-MF-Exposition auf kognitiven Verlust wurde auch in einem Alzheimer-Modell der Ratte festgestellt, in dem Plaque-bildenden Amyloid-β-Peptide eingesetzt wur- den (Akbarnejad et al., 2018; Zuo et al., 2018). Beobachtet wurde dies in der Studie von Akbarnejad et al. (Akbarnejad et al., 2018) für ein 50 Hz therapeutisches Feld bei 10 mT Feldstärke, das täglich für eine Stunde während 14 Tagen eingesetzt wurde, während ein sinusförmigen 50 Hz NF-MF bei 400 μT mit kontinuierlicher Exposition für 60 Tagen von Zuo et al. (Zuo et al., 2018) verwendet wurde. In der letzteren Studie wurden zudem Veränderungen der Lernfähigkeit zwischen gesunden schein- und NF-MF-exponierten Tieren festgestellt, sowie dem NF-B Signalweg eine Rolle in der Wirkung der Exposition zugewiesen.
Eine therapeutische Ausrichtung hatte auch die Studie von Jadidi et al. (Jadidi et al., 2016), in der ein Rattenmodell mit chemisch-induziertem Parkinson eingesetzt wurde. Knochenmarkstammzellen wur- den während einer Woche täglich für 1 Stunde einem 50 Hz NF-MF bei 40 oder 400 μT Feldstärke ausgesetzt, bevor sie ins Rattenhirn transplantiert wurden. In den Parkinson-Tieren führte dies in einer dosisabhängigen Art und Weise zu einer Verbesserung des Verhaltens, mehr dopaminerge Neuronen und des Neurotrophins BDNF, das für den Erhalt und Neubildung von Neuronen wichtig ist. In der Tat publizierte die gleiche Forschungsgruppe später, dass die ex vivo NF-MF-Exposition die Neubildung von Neuronen fördert (Asadian et al., 2021). Eine stimulierende Wirkung auf die Ausreifung von Neu- ronen hatte auch ein kontinuierliches 50 Hz NF-MF bei 1 mT Flussdichte, wenn menschliche neuro- nale Stammzellen untersucht wurden (Özgün et al., 2019). Obwohl diese Beobachtungen in Zellkultu- ren eher auf eine Wirkung hindeuten, die Neurodegeneration durch Neubildung von Neuronen entge- genwirkt, ist es unklar, ob sich dies auch im Organismus so verhält. So, wurde im Hypocampus von Mäusen, die mit einem 50 Hz NF-MF (8 mT, 4 Stunden/Tag während 28 Tagen) exponiert wurden, eine Reduktion des Neurotrophins BDNF festgestellt (H. Zhang et al., 2017), was mit Veränderungen von Kalzium-abhängigen Signalwegen einherging. Andererseits stellte eine andere Studie in jungen
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