Page 108 - EMF von Stromtechnologien
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 EMF von Stromtechnologien
(Kenborg et al., 2012). Eine spitalbasierte Fall-Kontroll-Studie mit über 400 Fällen, die sowohl berufli-
che als auch häusliche Exposition (Gebrauch von elektrischen Geräten und Maschinen) sowie die Rolle von elektrischen Schlägen untersucht (van der Mark et al., 2015), fand keine positiven Zusam- menhänge. Im Gegensatz dazu haben (Brouwer et al., 2015) in einer Detailuntersuchung der prospek- tiven dänischen Kohorte einen Einfluss beruflicher Magnetfeldexposition auf das Parkinson-Risiko be- rechnet. Allerdings sind die Fallzahlen tief und die Autoren mahnen zur vorsichtigen Interpretation, weil es kein Dosis-Wirkungsmuster gibt.
Eine Metaanalyse von 11 Studien zu beruflich Exponierten (Huss, Koeman, et al., 2015) fand kein er- höhtes Risiko (OR = 1.05; 0.98-1.13).
Bei den zwei bevölkerungsbasierten Studien von (Huss et al., 2009) und (Frei et al., 2013) zeigten sich ebenfalls keine erhöhten Risiken. Dasselbe gilt für (van der Mark et al., 2015), die in einer spital- basierten Fall-Kontroll-Studie den möglichen Zusammenhang zwischen Parkinson und der kombinier- ten beruflichen und privaten Exposition untersuchten. Sie stellten keinen Einfluss fest.
Nur wenige Arbeiten gibt es zu Multipler Sklerose im Zusammenhang mit niederfrequenten Magnet- feldexpositionen: zwei bevölkerungsbasierte Studien (Huss et al., 2009), (Frei et al., 2013) und eine zu beruflicher Exposition (Roosli et al., 2007b). Alle drei Studien konnten keine erhöhten Risiken feststel- len.
Neue epidemiologische Studien seit 2017
Bei der oben erwähnten italienischen Fall-Kontrollstudie zu neurodegenerativen Erkrankungen inner- halb von 50 m von einer Hochspannungsleitung wurden auch knapp 7'000 Parkinson-Erkrankungen, eingeschlossen (Vinceti et al., 2017). Es wurde ein leicht, statistisch nicht-signifikant erhöhtes Risiko beobachtet 1.09 (95% KI: 0.92–1.30) (Gervasi et al., 2019). In der oben erwähnten dänischen Elektri- zitätsarbeiterstudie (Pedersen et al., 2022) war das Erkrankungsrisiko für Parkinson und Multiple Skle- rose nicht statistisch signifikant erhöht (Pedersen et al., 2017). Bezüglich Parkinson ist dies auch im Einklang mit der oben erwähnten Metaanalyse von Gunnarsson und Bodin (Gunnarsson und Bodin 2019).
4.3.3.5 Tier- und Zellstudien im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen
Obwohl der Einfluss von EMF und anderen Umwelteinflüsse auf das Entstehen von neurodegenerati- ven Erkrankungen regelmässig thematisiert wird, ist die Datenlage bezüglich Mechanismen und ur- sächliche, Zusammenhang sehr lückenhaft. Auch zum Teil bedingt dadurch, dass die Ätiologien (Ur- sache für die Entstehung) dieser Krankheiten noch nicht vollumfänglich verstanden sind, obwohl auch hier, neben anderen pathologischen Veränderungen, oxidativer Stress in der Degeneration der Ner- venzellen beteiligt ist. Inwieweit der oxidative Stress ursächlich und/oder eine Konsequenz der patho- logischen Veränderungen ist, ist nicht klar abgrenzbar. So wurde nach einer vierwöchigen 50 Hz NF- MF-Exposition (22 Std./Tag, 10 kV/m, 4 pT magnetische Induktion) von männlichen Ratten keine Hin- weise auf oxidativen Stress (MDA-Level und totaler oxidativer Status, TOS) in verschiedenen Hirnregi- onen gefunden (Budziosz et al., 2018). Allerdings zeigten sich in einigen Hirnregionen auch Verände- rungen des antioxidativen Verteidigungssystem. Unterschwellige Veränderungen des oxidativen Gleichgewichtes könnten also vorhanden sein, ohne dass sich dies zu einer chronischen oxidativen Stresssituation entwickelt. Demgegenüber wurde in einer anderen Studie mit männlichen Ratten An- zeichen von oxidativem Stress in der Hirnrinde und dem Kleinhirn gefunden nach chronischer 50 Hz NF-MF-Exposition bei 2.4 mT Feldstärke für 2 Stunden/Tag während 21 Tagen (Martínez-Sámano et al., 2018). Zudem wurde Veränderung der Profile der fettähnlichen Stoffe in den Hirnregionen gefun- den, die einer Stresssituation durch Einengung ähnelt, was in beiden Fällen zu einer Erhöhung des Stressmarker Corticosteron im Blut führte.
Es gibt nur wenige tier- und zellexperimentelle Studien, die sich direkt mit der Fragestellung nach der 108/204
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