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EMF von Stromtechnologien
Einige Studien haben sich mit Demenzerkrankungen im Allgemeinen befasst. Meist wurde dabei Alz-
heimer als häufigste Form von Altersdemenz (gesondert) mituntersucht. Hinweise auf einen Zusam- menhang mit niederfrequenter Magnetfeldexposition am Arbeitsplatz zeigten dabei 2 Studien: (Roosli et al., 2007b) errechneten in ihrer Arbeit zu neurodegenerativen Erkrankungen bei Eisenbahnange- stellten erhöhte Risiken für senile Demenz bei den exponierten Lokführern von 1.96 (CI: 0.98-3.92). (Andel et al., 2010) errechneten für Demenz im Allgemeinen (216 Personen, inklusive die bereits er- wähnten 141 Alzheimer Fälle) für mittlere und hohe Expositionen (Referenz: < 0.12 μT durchschnittli- che Tagesexposition am Arbeitsplatz) Risiken um den Faktor 2; für die höchste Expositionskategorie und bei Krankheitsbeginn unter 75 Jahren statistisch signifikant. Die erhöhten Risiken betrafen in ers- ter Linie Personen mit manueller Arbeit. Dagegen fanden (Seidler et al., 2007) keinen Zusammen- hang, und die Hinweise auf möglicherweise erhöhte Risiken in der höchsten Expositionskategorie so- wie bei „blue collar workers“ sind laut den Autoren statistisch unsicher, weil die Aussagkraft der Studie nicht ausreicht, um Risiken unterhalb des Faktors 2.3 nachzuweisen. (Stampfer, 2009) fand in seiner US-amerikanischen Studie zu Schweissern ebenfalls keine erhöhten Risiken für Demenz-Mortalität. Eine kürzlich publizierte Arbeit (Davanipour et al., 2014) kam bei einem Kollektiv von 3’050 mexikani- schen Arbeitern in den USA, die über 65 Jahre alt waren zum Schluss, dass grosse oder mittelgrosse berufliche Magnetfeldexpositionen das Demenzrisiko im späten Alter (konkret: über 75 Jahre), insbe- sondere bei Rauchern, erhöhen. Die Exposition wurde mit Berufsangaben (Job-Exposure-Matrix) er- fasst. Nur sehr wenige Personen (101) waren stark exponiert und davon schnitten im Demenz-Test (MMSE) noch weniger Personen so ab, dass sie als Demenz-Fälle kategorisiert werden konnten (ins- gesamt 5 Personen). Für mittlere Magnetfeldbelastungen lauten die entsprechenden Zahlen: 135 und 1. Es ist klar, dass die statischen Befunde bei derart tiefen Fallzahlen nur mit sehr grosser Vorsicht interpretiert werden dürfen. Die Schlussfolgerung der Autoren ist nur dann faktengerecht, wenn dem Wort „may“ das nötige Gewicht gegeben wird (p. 1641):
„The results of this study indicate that working in an occupation with high or M/H MF exposure may increase the risk of severe cognitive dysfunction”.
(Koeman et al., 2015) untersuchten niederländische Beschäftigte auf einen Zusammenhang zwischen Demenz (Mortalität) und Exposition gegenüber 11 Umweltstoffen, darunter auch niederfrequente Mag- netfelder. In der Analyse zeigte sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang mit ELF-Magnetfel- der, allerdings dürfte es sich dabei um einen Scheinzusammenhang handeln, denn (p.629):
“The robustness of the metal effect in the bivariate combined exposure models in men further indi- cates that the positive associations with ELF-MF and chlorinated solvents in the single occupational exposure analysis might be attributable to metals”.
Bevölkerungsstudien zu Magnetfeldbelastungen durch Hochspannungsleitungen und Demenz (bzw. neurodegenerative Erkrankungen allgemein) liegen zwei vor: (Huss et al., 2009) berechneten in der Schweizer Studie leicht erhöhte Risiken (HR = 1.23; 95% CI = 0.96–1.59), Frei et al. (2013) dagegen fanden in Dänemark keine Hinweise auf eine höhere Sterblichkeit an Demenz aufgrund von Expositio- nen gegenüber Magnetfeldern von Hochspannungsleitungen.
Neue epidemiologische Studien seit 2017
Seit 2017 wurden einige Studien zu beruflichen NF-MF-Expositionen publiziert. In Dänemark war die Häufigkeit von Alzheimer-Erkrankungen bei Angestellten in der Elektrizitätsindustrie zwischen 1982 und 2010 nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung (Pedersen et al., 2017).
Eine neue italienische Fall-Kontrollstudie untersuchte, ob Alzheimererkrankungen innerhalb von 50 m von einer Hochspannungsleitung gehäuft auftreten. Basierend auf rund 10'000 Fällen, welche zwi- schen 2011 und 2016 diagnostiziert wurden, ergab sich ein leicht, statistisch nicht-signifikant erhöhtes Risiko von 1.11 (95% KI: 0.95–1.30) (Gervasi et al., 2019). Diese Studie ist deutlich grösser als die
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